Geothermie in Frankfurt und ihr Beitrag zur Wärmewende
06.09.2024
6 Minuten
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Eine Forschungsbohrung hat erkundet, welchen Beitrag Geothermie für die Wärmeversorgung in Frankfurt leisten kann. Wie das Zwischenfazit lautet? Wir verraten es und fassen die Bedeutung klimaschonender Erdwärme im Wärmemix der Zukunft zusammen. Dazu gibt’s heiße News vom Wohnbauprojekt Hilgenfeld.
Erstellt von Mainova Redaktion
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Geothermie in Frankfurt – erinnert ihr euch? Vor knapp 1,5 Jahren haben wir uns schon einmal mit dem Thema befasst. Zu dem Zeitpunkt lief auf dem Gelände des ehemaligen Rebstockparks in rund 1.000 m Tiefe die Suche nach Wärme unter der Erde. Die spannende Frage lautete: Kann Geothermie einen relevanten Beitrag zur nachhaltigen Wärmeversorgung leisten und so die Energiewende in Frankfurt unterstützen? Die Forschungsbohrung ist beendet und es gibt ein hoffnungsvolles Zwischenfazit. Dieses wollen wir euch nicht vorenthalten. Außerdem zeigen wir euch ein Paradebeispiel für ein nachhaltiges Wohnbauprojekt, das klimaschonende Erdwärme schon heute in den Wärmemix der Zukunft integriert.
Was ist eigentlich Geothermie?
Starten wir mit einem kurzen Einblick in die – Achtung Wortspiel – Tiefen der Geothermie-Welt. Das ist durchaus interessant, um Erdwärme als klimaschonende Wärmequelle besser zu verstehen.
Unsere Erde ist heiß. In ihrem Inneren herrschen Temperaturen von über 1.000 °C. Diese thermische Energie, die in der Erde gespeichert ist, nennt man Geothermie. Je nachdem wie tief man bohrt, um diese Quelle anzuzapfen, unterscheidet man oberflächennahe Geothermie (bis 400 m) und Tiefengeothermie (mehr als 400 m), wobei der Tiefenbereich zwischen 400 und 1.000 m als mitteltiefe Geothermie bezeichnet wird. Dabei gilt als Faustformel, dass pro 100 m Tiefe die Temperatur um 3 °C zunimmt. Unabhängig von Tages- und Jahreszeiten ist Geothermie konstant verfügbar. Um unseren Energiebedarf in Zukunft vollständig aus regenerativen Quellen zu decken, rückt sie verstärkt ins Blickfeld.
Hotspot mit Potenzial! Frankfurts Wärmeschatz unter der Erde
Wie viel Wärme die in den Tiefen der Erde vorhandene thermische Energie letztlich für Frankfurt bereitstellen kann, werden die kommenden Jahre zeigen. Dass es hoffnungsvolle Potenziale gibt, wurde bei der Forschungsbohrung auf dem Rebstockgelände allerdings deutlich! Unter der Leitung des Hessischen Landesamts für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) und finanziert durch das Hessische Wirtschaftsministerium haben zahlreiche Projektpartner – auch Mainova war als Unterstützer dabei – die sogenannte geothermische Anomalie von Frankfurt untersucht. Diese geht davon aus, dass die Untergrundtemperatur in 100 m Tiefe bereits 24 °C beträgt. Dort sind normalerweise nur Temperaturen von 15 °C erwartbar. Hierzu sagt Prof. Thomas Schmid, Präsident des Hessischen Landesamts für Naturschutz, Umwelt und Geologie:
„Frankfurt ist aus geologischer Sicht ein Hotspot der oberflächennahen und mitteltiefen Geothermie. Die Situation im Untergrund hier ist einmalig: So hohe Temperaturen in geringer Tiefe über eine so große Fläche finden sich unserer Kenntnis nach nirgends sonst in Hessen.“
Forschungsbohrung: gemessene Temperatur höher als erwartet
Das mehrmonatige Projekt konnte verschiedene Pumpversuche im Rotliegenden durchführen. Der Begriff „Rotliegend“ stammt aus der Sprache der Bergmänner. Er bezeichnet eine Gesteinsschicht, die vor rund 299 Mio. Jahren begann und vor etwa 257 Mio. Jahren endete. Sie besteht aus mächtigen, oft rot gefärbten Sandstein-, Tonsteinlagen sowie vulkanischen Gesteinen. Die rote Färbung ist ein Zeichen für heißes Klima. Die Forschungsbohrung ist also in eine Zeit vorgestoßen, als Frankfurt noch Wüste war, und hat zum Beispiel erkundet, wie wasserdurchlässig das Gestein ist.
Im Jahresbericht 2023 des HLNUG ziehen die Autoren das Zwischenfazit, dass die gemessene Temperatur von 61 °C in 1.060 m Tiefe höher ist als dies im Vorfeld erwartet wurde. Die Forschungsbohrung brachte „aufregende neue Erkenntnisse über den tiefen Untergrund Frankfurts und bestätigte eine vom HLNUG postulierte geothermische Anomalie, die eine wichtige Rolle bei der Wärmeversorgung Frankfurts in der Zukunft spielen kann.“ Der endgültige wissenschaftliche Ergebnisbericht ist für 2025 angekündigt.
Die Geothermie-Bohrung in Frankfurt – ein Rekord für die Geschichtsbücher
- 1.060 m tief drang der Bohrer in den Frankfurter Untergrund ein
- 61 °C Wassertemperatur wurden gemessen
- 4,8 °C pro 100 m beträgt der Gradient (also der Verlauf des Anstiegs) von 1.000 bis 1.060 m
Ganz unabhängig von den weiteren Untersuchungen ist der Forschungsbohrung schon jetzt ein Eintrag in die Chronik der Stadt Frankfurt sicher: Mit 1.060 m war es die tiefste Bohrung, die es jemals im Stadtgebiet gab. Der bisherige Rekord stammte von 1893, als die Brauerei Fritz Reutlinger bis in eine Tiefe von 286 m vorstieß, um Wasser für die Produktion von Bier zu nutzen. Das Wasser begann tatsächlich zu sprudeln, war jedoch mit einer Temperatur von 30 °C zu warm für die damaligen Produktionsverhältnisse.
Zum Nachlesen: Chronologie der Forschungsbohrung Frankfurt-Rebstock
Geothermie für die Frankfurter Fernwärmeversorgung
Doch zurück ins Hier und Jetzt – mit einem klaren Ziel vor Augen. Wenn wir über den Ausstieg aus den Fossilen und die Energiewende in Frankfurt sprechen, geht’s immer auch um die Wärmeversorgung. Fürs klimafreundliche und GEG-konforme Heizen ist Fernwärme gerade in Ballungszentren ein echter Gamechanger. Sie eignet sich hervorragend zur Dekarbonisierung, da zunehmend regenerative Erzeugungsquellen integriert werden können. Mainova wird die Fernwärme nicht nur stark ausbauen, sondern möchte sie bis 2040 klimaneutral machen. Unter anderem dank Geothermie! Damit unsere Strategie aufgeht, setzen wir derzeit alle Puzzleteile zusammen. Ein Meilenstein ist der Umbau des Heizkraftwerks West zu einem wasserstofffähigen Gaskraftwerk. Dieser lässt den CO2-Ausstoß ab 2027 jährlich um 400.000 t sinken. Zusätzlich soll die Fernwärme auf eine breitere Basis gestellt werden und 2040 aus einem Mix aus Umwelt- und Abwärme in Kombination mit Großwärmepumpen, Geothermie, Biomasse und Power-to-Heat-Anlage bestehen.
161 Erdwärmesonden im Klimaschutzquartier Hilgenfeld
Oberflächennahe Geothermie wird übrigens schon heute in innovative Energiekonzepte einbezogen. Im „Hilgenfeld“ etwa ist alles bereit für eine ressourcenschonende Wärmeversorgung. Dort realisieren wir mit der ABG FRANKFURT HOLDING eines der klimafreundlichsten Wohnquartiere Deutschlands – mit Vorbildcharakter weit über Frankfurt hinaus. Auf dem Areal im Norden Frankfurts entstehen 54 Mehrfamilienhäuser mit 860 Wohnungen für 2.500 Menschen, zwei Kindertagesstätten sowie Gewerbeflächen.
Um das Klimaschutzquartier nachhaltig mit Wärme zu versorgen, ist der Einsatz von Geothermie in großem Maßstab vorgesehen. Seit April 2024 hat Mainova 161 Erdwärmesonden in 120 m Tiefe sowie rund 10.000 m Leitungen zur Verbindung der Sonden verlegt. Durch sie zirkuliert später eine Wärmeträgerflüssigkeit, die die Erdwärme in die Heizzentralen transportiert. Im September wurden die Bohrungen für die geplante Versorgung mit Erdwärme abgeschlossen. Die ABG wird voraussichtlich in der zweiten Hälfte des Jahres 2025 mit dem Hochbau beginnen, sofern es die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zulassen.
Von fossilen Energieträgern unabhängig wohnen
Die Wärmeversorgung beruht auf einem ausgeklügelten Zusammenspiel von Geothermie, Photovoltaik-Solarthermie-Anlagen (PVT), Wärmepumpen und hocheffizienten Blockheizkraftwerken:
- Die Wohnhäuser werden über ein Nahwärmenetz versorgt.
- In drei Heizzentralen wird die Erdwärme mittels Großwärmepumpen auf die notwendige Vorlauftemperatur gebracht und über das Nahwärmenetz in die Gebäude geleitet.
- Auf den Gebäudedächern werden 1.160 PVT-Sonnenkollektoren installiert: Im Sommerhalbjahr leiten sie nicht genutzte Wärme in die Erdsonden im Boden. Dort wird die Wärme gespeichert.
- Über 5.000 PV-Module gewährleisten eine Versorgung mit lokal erzeugtem Sonnenstrom.
- Die erneuerbare Energieerzeugung vor Ort soll jährlich knapp 2.000 t CO2 im Vergleich zu konventioneller Wärmeversorgung einsparen.
Geothermiebohrungen im Hilgenfeld: Pressemitteilung
Statt Öl und Gas – Erdwärme im Eigenheim nutzen?
Stellt ihr euch jetzt Fragen wie:
- Ist mein Grundstück grundsätzlich für eine Erdwärmesonden-Anlage geeignet?
- Wie viel Platz benötigen Erdwärmesonden?
- Gibt es standortbedingte Einschränkungen zum Beispiel bei der Bohrtiefe?
- Wo und wie stelle ich den Antrag auf Erlaubnis?
Dann beginnt eure Recherche beim HLNUG. Die umfassende FAQ-Liste bietet viele Infos und Tipps zur Errichtung von Erdwärmesonden.
Die Energiezukunft aktiv gestalten: mit Know-how, Weitsicht und Innovationsbereitschaft. Auch das ProfiCamp der Frankfurter Eintracht nutzt Erdwärme. Seit Langem spielen wir mit dem Traditionsverein erfolgreich Doppelpass, wenn es um die nachhaltige Energieversorgung geht. Letztes Jahr ist eine hocheffiziente PV-Anlage auf dem Parkhausdach des ProfiCamps hinzugekommen. Gleichzeitig machen wir an vielen Stellen in und um Frankfurt enorme Fortschritte bei der Abwärmenutzung – Abwärme ist ein weiterer wichtiger Baustein für klimaneutrale Wärme. Mehr Energiethemen wie zum Beispiel heizen mit Wasserstoff sowie Infos zu neuen Gesetzen, Balkonkraftwerken oder zur E-Mobilität findet ihr immer hier im Blog und auf unseren Social-Media-Kanälen.