Mit Wasserstoff die Energiewende gestalten

Energieversorgung

02.05.2024

8 Minuten

Bei der Gestaltung der Energiewende kann Wasserstoff eine führende Rolle einnehmen. Wir erklären, was dazu nötig ist und wie man in Zukunft mit Wasserstoff heizen kann. Dazu geben wir ein Update zum spannenden MH2Regio-Projekt und Einblicke in Initiativen und Kooperationen, die den Einsatz von Wasserstoff vorantreiben.

Schaubild mit Wasserstoffmolekülen und dem Symbol H2

Autor: Mainova Redaktion

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Wasserstoff ist die Nummer 1 – zumindest im Periodensystem der Elemente. Auch bei den Hoffnungsträgern für die Energiewende steht H2 weit oben. In Zukunft könnte durch das Gasnetz in Deutschland Wasserstoff fließen und das Zuhause mit Brennstoffzellenheizungen erwärmt werden. Was dies so attraktiv macht: Bei der Nutzung von Wasserstoff entsteht kein CO2. Er ist gut speicherbar und lässt sich leicht transportieren. Wir erklären euch wichtige Grundlagen. Dazu geben wir ein Update zum spannenden MH2Regio-Projekt: Im Müllheizkraftwerk in der Nordweststadt ist es nämlich möglich, aus Müll Wasserstoff zu erzeugen. Um das große Potenzial von Wasserstoff schneller und besser zu erschließen, werden Kräfte in verschiedenen Initiativen und Kooperationen gebündelt. Wir stellen sie euch vor!


Wasserstoff: eine Farbenlehre

Die Nummer 1 im Periodensystem, Knallgasprobe, das häufigste Element im Universum, Elektrolyse, farblos, geruchslos, geschmackslos, tritt fast immer in Verbindung auf, wird flüssig erst bei -253 °C – jeder von uns hat aus dem Chemieunterricht Erinnerungen an Wasserstoff.

Um die Potenziale von Wasserstoff für die Energiewende zu verstehen, beginnen wir mit einem Regenbogen. Grün, blau, türkis, aber auch rosa, orange, weiß und grau: Wasserstoff hat viele Farbcodes. Sie verraten, welches Verfahren (z. B. Elektrolyse, Pyrolyse, Dampfreformierung) für die Produktion des Wasserstoffs eingesetzt wird und welche Energiequelle dafür genutzt wird. Denn Wasserstoff ist zwar das häufigste Element in unserem Universum, kommt jedoch fast immer in Verbindung mit anderen vor, zum Beispiel zusammen mit Sauerstoff in Wasser (H2O) oder zusammen mit Kohlenstoff in Methan (CH4). Um Wasserstoff zu erhalten, muss er also gespalten werden. Das kostet Energie.

Dunkelgrün (Strom): Hier wird Wasserstoff durch Elektrolyse mit Strom aus erneuerbaren Quellen gewonnen, indem Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten wird.

Hellgrün (Mikroorganismen): Die Arbeitsgruppe Photobiotechnologie der Ruhr-Universität Bochum analysiert an Wasserstoff, der mithilfe von Mikroorganismen (Grünalgen) gewonnen wird. Auch Prof. Dr. Kirstin Gutekunst, Professorin für Molekulare Pflanzenphysiologie an der Universität Kassel, forscht daran, wie Cyanobakterien in eine effiziente Wasserstofffabrik verwandelt werden können.

Türkis: Türkisfarbener Wasserstoff ist ein Nebenprodukt der Methanpyrolyse. Dabei wird Methan in Wasserstoff und festen Kohlenstoff gespalten. Wie die Klimabilanz dieses Verfahrens ausfällt, hängt zum einen davon ab, welche Energie für die Methanpyrolyse genutzt wird. Denn das Verfahren benötigt Temperaturen von mehr als 1.000 °C. Zum anderen kommt es darauf an, ob der Kohlenstoff dauerhaft gespeichert wird.

Blau: Hier werden Erdgas und erhitztes Wasser in Form von Dampf zusammengebracht. Es entstehen Wasserstoff und Kohlendioxid. Das CO2 wird dann abgeschieden, genutzt oder gespeichert (Carbon Capture, Utilisation and Storage – CCUS)

Rosa: Hier entsteht der Wasserstoff durch Elektrolyse mit Kernenergie.

Orange: Diese Farbe steht beispielhaft dafür, dass es manchmal schwierig ist, im H2-Farbenspektrum den Überblick zu bewahren. So hat der Deutsche Bundestag Wasserstoff, der direkt aus Biomasse oder mit Strom aus Müllheizkraftwerken erzeugt wird, als orange bezeichnet. Französische Forscher haben unlängst im Magazin „nature geoscience“ vorgeschlagen, durch Injektion von Wasser in eisenreiche Gesteinsschichten die Produktion von natürlichem Wasserstoff aktiv anzuregen und dies orangenen Wasserstoff zu nennen.

Weiß: Diese Farbe steht für Wasserstoff, der in natürlichen Lagerstätten vorkommt, also nicht im Labor oder in der Industrie produziert wird. Er entsteht tief unter der Erde, wenn Eisen und Wasser miteinander reagieren. Zum Beispiel wurde 1987 am Rande des Dorfes Bourakébougou in Mali ein 110 m tiefer Wasserbrunnen gebohrt. Dabei stieß man auf eine Gasblase, die zu 98 % aus Wasserstoff besteht. Kurz darauf entstand eine Pilotanlage, die seitdem das Dorf mit Strom versorgt. Der Umfang der weltweiten Vorkommen ist noch genauso unklar wie die Klimabilanz bei der Förderung.

Braun/schwarz/grau: Als grauer Wasserstoff wird Wasserstoff aus fossilen Brennstoffen bezeichnet, bei dem das CO2 nicht aufgefangen wird (also ohne CCUS). Manchmal wird hier noch zwischen schwarzem (aus Steinkohle) und braunem Wasserstoff (aus Braunkohle) unterschieden. Grauer Wasserstoff macht derzeit etwa 70 % der weltweiten Produktion aus.

Gewinnung von Wasserstoff durch verschiedene Verfahren – Regenbogengrafik mit Farbcodes

Großes Potenzial in allen Sektoren

Die Potenziale von Wasserstoff sind enorm. Er ist ein maßgeblicher Energieträger, um die gesamte Volkswirtschaft zu dekarbonisieren. Denn er kann in allen Sektoren (Strom, Mobilität, Wärme) einen Beitrag zur Klimaneutralität leisten. Dabei ist selbstverständlich grüner Wasserstoff am attraktivsten. Denn dieser wird – wie unsere Farbenlehre zeigt – durch Elektrolyse mit Strom aus erneuerbaren Energien gewonnen.  Jedoch haben weder Deutschland noch Europa in absehbarer Zeit die Möglichkeit, erneuerbare Energien in dem Umfang zu erzeugen, wie sie nötig wäre, um den gesamten Wasserstoffbedarf zu decken. In Verbindung mit CCUS können auch blauer und türkiser Wasserstoff deshalb zumindest für eine Übergangszeit ebenfalls auf die Klimaziele einzahlen.

Der Ausbau der Erneuerbaren schreitet voran

Auch wenn es für die Wasserstoff-Nutzung in großem Stil noch viele Herausforderungen gibt – an allen Ecken und Enden tut sich was. Und die Erneuerbaren sind klar im Aufschwung! Laut Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. (BDEW) lag 2023 der Anteil der erneuerbaren Energien an der Bruttostromerzeugung bei ca. 53 %. Zum Vergleich: 2022 waren es nur gut 44 %. Von Wind über Wasser bis Solar könnt ihr den jeweiligen Anteil an der regenerativen Stromerzeugung und weitere interessante Infos im Pressecenter des BDEW nachlesen.

Erneuerbare Energien: Webseite des BDEW aufrufen


Ein Kernnetz für den Wasserstoff-Hochlauf

Auch in der Politik ist man sich des enormen Potenzials von Wasserstoff bewusst – gerade für die energieintensive Industrie. Und natürlich kennt man die Gegebenheiten, beispielsweise die standortbedingt begrenzten EE-Kapazitäten. Daher richtet sich der Blick nicht nur auf die lokale Wasserstoff-Erzeugung, sondern auch auf den Transport und Importe aus dem Ausland. Zentrale Weichen für einen bedarfsgerechten Aufbau der Wasserstoff-Infrastruktur wurden gestellt und nun soll es zügig losgehen. In den Schlaglichtern der Wirtschaftspolitik (erschienen im Februar 2024) heißt es:

„[…] Grundvoraussetzung für einen erfolgreichen Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft, die die gesamte Wertschöpfungskette von der Erzeugung über den Transport bis hin zur Nutzung umfasst, ist neben der Verfügbarkeit von wettbewerbsfähigem Wasserstoff eine leistungsfähige Infrastruktur. Damit Wasserstoff deutschlandweit dorthin transportiert werden kann, wo der Bedarf besteht, ist eine leitungsbasierte Infrastruktur nötig. Die großen Industriezentren, Speicher, Kraftwerke und Importkorridore werden entsprechend vernetzt. […]“

Wie das Wasserstoff-Kernnetz die Erzeugung und Nachfrage verbinden soll, weshalb eine Importinfrastruktur notwendig ist und welche Stufen vorgesehen sind, erfahrt ihr im Detail auf der Webseite des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMKW).

Wasserstoff-Infrastruktur: Webseite des BMWK aufrufen


Kooperationsvertrag für ein eigenes Verteilnetz in Frankfurt/Rhein-Main

Ob bei uns produziert oder importiert: Aus dem Kernnetz, das als wichtiges Grundgerüst fungiert, muss der Wasserstoff weiter. Zu möglichst vielen Abnehmern. Und hier kommt das Know-how der regionalen Versorger und Verteilnetzbetreiber zum Tragen. Die Metropolregion Frankfurt/Rhein-Main soll ein eigenes regionales Verteilnetz für Wasserstoff erhalten – und durch gleich mehrere Anbindungen an das H2-Kernnetz mit klimaneutralem Wasserstoff versorgt werden: „Rh2ein-Main Connect“ wird voraussichtlich ab dem Jahr 2028 in ersten Teilabschnitten in Betrieb genommen. Gemeinsam mit den Regionalversorgern ENTEGA AG, ESWE Versorgungs AG und Kraftwerke Mainz-Wiesbaden AG (KMW) sowie dem Fernleitungsnetzbetreiber Open Grid Europe GmbH (OGE) und den Verteilnetzbetreibern e-netz Südhessen AG und NRM Netzdienste Rhein-Main GmbH haben wir einen entsprechenden Kooperationsvertrag unterzeichnet und im März 2024 vorgestellt.


Bestehende Infrastrukturen nutzen

Ein großer Pluspunkt für den Einsatz von Wasserstoff ist: Teile der nötigen Infrastruktur sind heute schon da. Das vorhandene Gasnetz – Mainova ist zum Beispiel für 4.000 km in der Region Frankfurt Rhein/Main verantwortlich – ist in der Lage, mit wenigen Anpassungen in Zukunft auch grüne Gase wie Wasserstoff zu transportieren.

Baustelle des HKW West im November.
Kohleersatzprojekt HKW West: Der Umbau unseres größten Frankfurter Kraftwerks erfolgt H2-ready.

Dementsprechend vorausschauend planen wir seit Langem. An unserem größten Frankfurter Heizkraftwerk, dem HKW West, läuft derzeit der Kohleausstieg. Im ersten Schritt wird auf Erdgas umgestellt. Die Umsetzung wird bis 2026 abgeschlossen sein und bereits 400.000 t CO2 jährlich einsparen. Perspektivisch setzen wir auf den Einsatz von CO2-freien Gasen – und machen das HKW West direkt H2-ready.


MH2Regio: Aus Müll wird Mobilität

Vom HKW West im Gutleutviertel nun kurz in die Nordweststadt. Das dortige Müllheizkraftwerk (MHKW) stand im Mittelpunkt des Projekts „MH2Regio“. MH2Regio ist bundesweit eines der ersten Projekte rund um den Aufbau einer regionalen Infrastruktur, die Wasserstoff für den Schwerlast-, Güter- und Binnenschiffsverkehr erzeugt und verteilt. Gemeinsam mit der Stadt Frankfurt und der Frankfurter Entsorgungs- und Service GmbH (FES) haben wir untersucht, ob es im MHKW möglich sein könnte, aus Müll Wasserstoff zu erzeugen, zu speichern und zu verteilen. Die Antwort dank einer Softwaresimulation lautet: Ja, es ist möglich und Frankfurt wäre ideal, um eine regionale Wasserstoffinfrastruktur aufzubauen und so die urbane Verkehrswende mit klimaschonenden Kraftstoffen voranzubringen. Nun arbeiten die Projektpartner an der Umsetzung und prüfen die Voraussetzungen z. B. für den wirtschaftlichen Einsatz eines Elektrolyseurs.

Folgender Schritt war daher nur konsequent: Im Herbst vergangenen Jahres wurden im Müllheizkraftwerk die ersten neuen wasserstofffähigen Brenner in Betrieb genommen. Brenner sind eine Art Anzündhilfe für die Verbrennungslinien. Im MHKW hat jede der vier Verbrennungslinien zwei Brenner. Diese konnten bislang nur mit Heizöl betrieben werden – künftig ist dies auch mit Erdgas und eben Wasserstoff möglich.


Schulterschluss für die Energiewende – Initiativen und Pilotprojekte

Eine echte Premiere! Eine Beteiligung von Mainova, der Stadtwerkeverbund Thüga, führt seit Sommer 2023 das deutschlandweit beachtete Pilotprojekt H2Direkt zum Heizen mit Wasserstoffbrennwertheizungen durch. Dabei wird ein Teil des Gasnetzes abgetrennt und mit grünem Wasserstoff betrieben. Zehn Haushalte und ein Gewerbebetrieb im Ort Markt Hohewart bei Ingolstadt werden in der Heizperiode 2023/2024 für zunächst 18 Monate mit Wasserstoff heizen. Zum ersten Mal in Deutschland werden Teile eines Gasnetzes komplett mit grünem Wasserstoff betrieben. Wir warten gespannt auf die Ergebnisse und werden sie euch gerne präsentieren!

Wissen teilen, Synergien schaffen und dank lokaler Projekte den Wasserstoffhochlauf für die Energie- und Wärmewende vor Ort einleiten: Eigens dafür haben elf Energieversorger der Thüga-Gruppe Ende letzten Jahres eine Wasserstoff-Initiative gegründet. Unter dem Motto: „H2-Lokal-Jetzt!“ haben wir alle den Bedarf nach mehr Zusammenarbeit noch einmal bekräftigt und den Willen, die H2-Wirtschaft aktiv zu gestalten, klar untermauert.


Genug der Theorie! Ihr wollt euch selbst mit Wasserstoff vertraut machen? Das könnt ihr im Rhein-Main-Gebiet wunderbar tun. Schaut doch zum Beispiel mal bei der öffentlichen Wasserstofftankstelle im Industriepark Frankfurt-Höchst vorbei. Und haltet die Augen offen: Die FES hat ein wasserstoffbetriebenes Müllfahrzeug auf Frankfurts Straßen geschickt und die Buslinie 36 fährt zwischen Westbahnhof und Hainer Weg mit einem Bus mit Brennstoffzellentechnologie, liebevoll „Wasserstöffche“ genannt. Auf ausgewählten Taunus-Strecken der RMV sind moderne Wasserstoffzüge unterwegs. Über weitere spannende Entwicklungen halten wir euch auf dem Laufenden! Mehr Infos zur Gestaltung der Energiewende, aber auch zu anderen Energiethemen findet ihr immer hier im Blog sowie auf Instagram, Facebook und YouTube.

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